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„Wir Ferdinand der Dritte von Gottes Gnaden erwöhlter Römischer Kayser, u.u. Bekennen offentlich mit diesem Brieff, und thun kundt jedermänniglich, wasmassen N. Provincialis, samt der gantzen Oesterreichischen Provintz Ordinis S. Francisci Strict. Observ. uns allerunterthänigst, und gehorsambst berichtet, wie daß ausser unserem Marckt Stockerau im freyen Feld ein Kirchlein sich befinde, dem H. Martyrer die Marter-Cron empfangen haben solle, gebauet; zu welchen viel Leuth ihre Andacht tragen, und vertrauen alldorten himmlische Gnaden, und Gutthaten durch Fürbitt dieses H. Martyrers zu überkommen.“

 

Dieser Brief des Kaisers aus dem Jahr 1641 (mit damaliger Rechtschreibung) enthält weiters die kaiserliche Baubewilligung, dass die Franziskaner Kloster und Kirche an der Stelle der bestehenden Kolomanskapelle errichten dürfen. Aber dieser Brief zeigt vor allem, dass im 17. Jahrhundert die Verehrung des hl. Koloman offenbar sehr lebendig und im Volk verankert war!

 

Kloster und Kirche sollten im Laufe der Geschichte noch ein sehr wechselhaftes Schicksal erfahren. (z.B. Aufhebung des Klosters 1784; Verwendung als Depot für die Wollvorräte (!) des österr. Militärs; 128 Jahre lang blieb das Kloster zweckentfremdet - meist als Fabrik zur Erzeugung von Seidenbändern; 1912-1940 Missionskloster der Steyler Missionsschwestern; Enteignung durch die Nationalsozialisten (als Aufnahmelager für die Rücksiedler aus Bessarabien und der Bukowina); 27. Mai 1945 Rückkehr der Schwestern nach dem 2. Weltkrieg!)

 

Die kirchliche Verehrung des hl. Koloman im Missionskloster wurde im Jahr 1949 vom Ordinariat der Erzdiözese Wien wie folgt geregelt: „Nach der jetzt geltenden Liturgiereform wird im Kloster St. Koloman der Todestag des Märtyrers am 17. Juli als Hochfest tituliert (Titular der Kapelle) und am 13. Oktober der Tag seiner Überführung nach Melk

als gebotener Gedenktag mit der Erzdiözese Wien, der Diözese St. Pölten und in der Diözese Eisenstadt als freigestellter Gedächtnistag.“ (Zitate aus: Alfons Pluta SVD, Ein tausendjähriges Kultkontinuum zu Ehren des hl. Märtyrers Koloman in Stockerau. Quellenberichte, Steyler Verlag, Nettetal 2. Aufl. 2000, 21f u. 80).

 

Das eigentliche historisch stattgefundene Martyrium des hl. Koloman kann als eine Folge von Misstrauen, Fremdenfeindlichkeit, ungeprüften Vorurteilen und sprachlichen Kommunikationsschwierigkeiten verstanden werden.

 

Erst spätere Verehrung rückt den gewaltsamen Tod Kolomans in die Nähe des Kreuzestodes Christi, denn die Überlieferung berichtet, dass er „schließlich auf einem Gabelkreuz eines vertrockneten Holunderbaumes zwischen zwei Gaunern“ (A. Pluta, S. 12) aufgehängt wurde (am 17. 7. 1012). Die optische Nachstellung der Kreuzesszene Jesu ist nicht zu verkennen und sicher beabsichtigt, auch wenn der Tathergang historisch so nicht belegt werden kann!

 

Koloman kann über alle Legendenbildung hinaus auch uns heute wertvolle Anregungen geben:

1. Umgang mit Fremden weg von Hass, Furcht und Missverständnis.

2. Überprüfung von Vorurteilen bzw. deren Eliminierung.

3. Mühen um Kommunikation, um exakte Sprache und präzise Ausdrucksweise.

 

In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine fruchtbare Gedächtnisfeier zum 1000jährigen Kolomansjubiläum heuer im Oktober und darüber hinaus.

 

Ihr Pfarrer Dr. Gerhard Gansterer

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