Aus einer Zeitschrift für Volkskultur habe ich zum ersten Mal erfahren, dass es in manchen Gegenden Osterrreichs den sogenannten Brauch des „Heiligen-Geist-Einfangens“ gibt. Mehr scherzhaft wird er im Stodderer Tal gehandhabt: Die Burschen stehen am Pfingstsonntag um 4 Uhr früh auf, weil um diese Zeit angeblich der Hl. Geist auffliegt. Die jungen Burschen ziehen dann herum und machen allerlei Unfug.

 

Ernster genommen wird der Brauch des „Heiligen-Geist-Einfangens“ im Ybbstal. Die Prozession am frühen Pfingstmorgen führt meist auf eine Anhöhe zu einer Kapelle. Die Kapellen am Wegrand sind mit Wiesenblumen geschmückt. Auf der Anhöhe angekommen wird der glorreiche Rosenkranz gebetet, die Heiligen-Geist-Litanei, ein Gebet zum Hl. Geist verbunden mit der Bitte um gedeihliche Witterung, um Segen für die Früchte der Erde und die verstorbenen Wohltäter der Kapelle auf der Anhöhe.

Geschichtlich geht der Brauch währscheinlich auf einen Impuls des Stiftes Seitenstetten zurück. In der Zeit der Gegenreformation wollte man offenbar ein besonderes Ereignis neu einführen, um die Leute zum Katholizismus zurückzugewinnen. Das löbliche geistliche Ziel war allerdings: den Hl. Geist im Alltagsleben der Menschen zu verankern!

Helmut Schüller weist in seinem Kommentar zum Pfingstfest zurecht darauf hin, dass in den biblischen Texten das Kommen des Heiligen Geistes als ein Kommen von außen beschrieben wird.

Im Evangelium kommt Jesus von außen durch die verschlossenen Türen, um den Jüngern den Geist zu verheißen.

Auch das Brausen des Himmels in der Lesung aus der Apostelgeschichte beschreibt den Geist Gottes als von außen, von oben auf die Menschen herabkommend.

Was wird heute an die Kirche von außen herangetragen? Wo kommt heute der Geist Gottes auf die Kirche von außen auf sie zu?

1. Ist es der Zeitgeist, der die Kirche im Sinne der biblischen Botschaft wandeln kann?

2. Ist es die Jugend, die mit manchen Formen von Kirche gut kann, mit anderen gar nicht, die der Kirche neue Wege in die Zukunft zeigt?

3. Sind es die Habenichtse von nah und fern, deren Zahl ständig wächst, die der Kirche Impulse zur Wandlung geben? (Aktuelles Beispiel: Fast die Hälfte der jungen Spanier zwischen 19 und 25 Jahren ist arbeitslos. Was sollen die den ganzen Tag tun? Was sollen sie mit ihrer Kraft, ihrer jugndlichen Energie anfangen? Was sollen sie mit der Frage nach der Sinnhaftigkeit ihres Lebens machen?)

Hat die Gemeinschaft der Glaubenden hier eine Antwort, einen Impuls für die Gesamtgesellschaft? Das „Heiligen-Geist-Einfangen“ im übertragenen Sinn tut hier nicht nur not, es ist geradezu not-wendig im wörtlichen Sinn, dh. es kann die Not vieler wenden! AMEN.